Bolivien – Teil 1v1 Bolivien

Am 14.10. waren wir dann also in unserem vierten Reiseland: Bolivien. Unser erster Eindruck vom Land war, dass die Autofahrer genauso rücksichtslos unterwegs waren, wie in Perú. Einige LKW- und insbesondere viele Minibus-Fahrer waren schon eine Herausforderung.  
 
Die nächste Herausforderung ließ nicht lange auf sich warten. Statt der von unseren Navigationsgeräten vorgeschlagenen Umfahrung eines Bereichs hatten wir es darauf angelegt und den direkten Weg zu unserem Hotel in La Paz gewählt. Was uns dann erwartete, war das pure Chaos. Wir sind in dem auf 4.000 Metern gelegenen „Vorort“ (hat mehr Einwohner als La Paz selbst) El Alto gelandet. Wir mussten diverse Male anders fahren, als vom Navi vorgeschlagen, weil nichts mehr ging. Trotzdem standen wir irgendwann ca. ½ Stunde eingekeilt zwischen einer Reihe Autobusse, zwei Reihen Minibussen und einigen PKW. Um uns herum herrschte wildes Treiben, wenn es mal ein paar Meter vorwärts ging, musste man aufpassen, dass man niemanden über den Haufen fährt. Irgendwann ging es dann doch vorwärts und wir konnten rechts abbiegen und dem Chaos entkommen. Mitten durch reges Markttreiben und Dreck landeten wir dann irgendwann an einem Punkt, von dem aus man einen grandiosen Blick auf La Paz hatte, das überwiegend im „Tal“ (immerhin auch noch 3.300 Meter und höher) liegt. „Boah ei, der Wahnsinn“ schallte es über die Helmkommunikation. Wir schlängelten uns also abenteuerlich die Serpentinen hinunter, bis wir irgendwann am späten Nachmittag unser Hotel erreicht hatten.  
 
Das Midtown La Paz hatten wir aufgrund seiner strategisch günstigen Lage ausgewählt. Es hatte direkte Anbindung an mehrere Seilbahn-Linien und war auch in der Nähe der BMW-Werkstatt, wo wir am Montag einen Service-Termin hatten. Im Laufe unseres Aufenthalts erfuhren wir, dass die Eigentümerfamilie einen Bezug zu Deutschland hat, Carlos‘ Vater war Deutscher. Seine Mutter und er sowie das ganze Hotel-Team umsorgten uns sehr fürsorglich. Wir genossen unseren Aufenthalt dort sehr.  
 
Der Samstag stand dann erst einmal im Zeichen der Stadterkundung. Wer es noch nicht weiß: La Paz verfügt seit 7 Jahren über ein geniales Seilbahn-Verkehrsnetz. Für kleines Geld kann man über der Stadt schweben und muss sich nicht durch den auch hier teils chaotischen Verkehr quälen. Wir fuhren also mit zwei Seilbahn-Linien zu einem Mirador (Aussichtspunkt), von wo aus man einen tollen Blick auf die Stadt hatte. Danach ging es dann mit der nächsten Linie weiter bis ins Zentrum der Stadt, die wir dann zu Fuß erkundeten. Etwas klein geraten ist der Hauptplatz mit Präsidentenpalast, hier hatten wir etwas mehr erwartet. Die engen Gassen der Innenstadt mit dem Hexenmarkt sind sehr beschaulich. Nach einem späten Mittagssnack ging es dann zurück zu unserem Hotel. 
 
Am Sonntag hatten wir uns die „Todesstraße“ vorgenommen, die Yungas-Straße, die nordöstlich von La Paz startet und hinunter in den Regenwald führt. Die Straße wurde in den 1930er Jahren von paraguayischen Kriegsgefangenen gebaut. Sie ist mehr oder weniger einspurig, wurde aber lange Jahre in beide Fahrtrichtungen befahren, was zu vielen Unfällen führte, bei denen nicht wenige Fahrzeuge mehrere hundert Meter in den Abgrund stürzten. Zwischenzeitlich wurde das Ganze etwas entschärft, in dem man eine asphaltierte Umgehungsstraße gebaut hatte, die für den Hauptverkehr dient. Die Yungas-Straße ist heute mehr oder weniger eine Ausflugsroute für Mountain-Biker und Motorradfahrer. So trafen wir nach 55 km Fahrt über einen 4.650 Meter hohen Gebirgspass bei leichtem Schneefall und 1°C Temperatur am Ausgangspunkt der Straße auf 3.161 Metern Höhe auch ein paar Biker: drei Schweizer, die uns ein paar Tipps zu unseren nächsten Etappenzielen geben konnten (wir revanchierten uns mit Adressen für Cusco) sowie eine Gruppe Amerikaner mit leichten Mietmaschinen. Obwohl die Sicht teilweise gleich Null war, entschlossen sich alle, die Straße in Angriff zu nehmen. Da wir sie nicht nur fahren wollten, um sagen zu können, dass wir sie gefahren sind, sondern auch Fotos und ein paar Aufnahmen mit der Drohne machen wollten, entschlossen wir uns, die Aktion auf Dienstag zu vertagen und unseren Aufenthalt in La Paz entsprechend um einen Tag zu verlängern. Also ging’s unverrichteter Dinge 55 km zurück nach La Paz und zum Abendessen wieder (wie am Vortag) in den südlichen Stadtteil Calacoto, in den wir uns richtig ein wenig verliebt hatten. Es gab dort nette Häuser, schöne Geschäfte, tolle Restaurants, alles in allem ein nettes Viertel, weit ab vom Großstadt-Trubel.  
 
Am 17.10. stand dann unser Werkstatt-Termin auf dem Programm. Wir brachten unsere Maschinen morgens zum BMW-Händler in der Nähe und nutzen den Tag, um einige Erledigungen zu machen. Am späten Nachmittag bekamen wir unsere Bikes dann gewartet und frisch geputzt zurück, vielen Dank an das Werkstatt-Team von BMW-Saci. 
 
Der Dienstag stand dann wieder im Zeichen der Yungas-Strasse. Wir sind wieder die 55 km über den Gebirgspass (dieses Mal ohne Schnee und mit „nur“ 2°C) zum Ausgangspunkt gefahren, aber je näher wir kamen, desto schlechter wurde das Wetter. Es regnete und die Sicht war noch schlechter, als am Sonntag. Unsere Klamotten waren pitschnass und wir warteten in einem kleinen Restaurant auf Besserung, die aber leider nicht eintrat. Nach ca. 2 Stunden gaben wir auf und fuhren zurück nach La Paz, wo uns (bei zweistelligen Temperaturen) teilweise Hagel überraschte.  
 
Am Folgetag checkten wir dann aus und wurden herzlich von der ganzen Hotel-Crew verabschiedet. Es war wirklich toll bei Euch (Muchas gracias a Carlos, su mama preciosa y todo el team del Midtown La Paz). Wir fuhren an dem Tag bis nach Oruro, einer ziemlich hässlichen Stadt, die aber mangels Alternativen als Übernachtungsziel auf unserer Strecke lag. Eine Stadterkundung schenkten wir uns. Am Donnerstag ging es dann weiter nach Sucre, der formalen Hauptstadt von Bolivien (La Paz ist „nur“ Regierungssitz). Wir wurden schon vorgewarnt, dass Sucre die schönste Stadt Boliviens sei und wir wurden nicht enttäuscht. Es machte Spaß, durch die Straßen zu schlendern und die schönen Bauwerke zu bewundern, die Stadt hat einfach Atmosphäre. Auch ein Besuch im Unabhängigkeitsmuseum mit sehr guter Führung stand auf dem Programm, was uns die Geschichte des Landes ein wenig näherbrachte, sehr interessant.  
 
Am 21.10. fuhren wir dann über Potosí (reiht sich zu Oruro in die Liste der unansehnlichen Städte ein) nach Uyuni, dem nächsten Highlight auf unserer Südamerika-Reise. Die Stadt selbst ist ebenfalls nicht besonders schön, aber die Attraktionen befinden sich in der Umgebung. Am Sonntag organisierten wir vor Ort unsere Ausflüge für die Folgetage. Auf Empfehlung unseres Gastgebers klingelten wir als Erstes bei Robin (www.nomadaexperience.com), einem Engländer, der seit 15 Jahren in Bolivien lebt. Robin und seine Freundin Fatima organisieren Touren auf den Salar de Uyuni, den größten Salzsee der Welt (halb so groß wie Hessen). Robin lud uns auf einen Kaffee ein und wir quatschten eine Weile. Am Ende war uns klar, dass wir mit ihm und unseren eigenen Bikes eine Tagestour über den Salar machen wollten. Im Anschluss klapperten wir einige Tour-Anbieter ab, die Ausflüge zu den berühmten Lagunen im Süd-Westen Boliviens anbieten. Die meisten kombinieren die Touren mit einem Ausflug auf den Salar de Uyuni, den wir aber anderweitig erkunden wollten. Am Ende buchten wir einen „privaten“ 2-Tages-Tripp bei Red Planet Expeditions.  
 
Am Montag ging’s dann also früh mit Robin los. Zunächst machten wir einen Abstecher zum Eisenbahn-Friedhof und Robin erklärte uns sehr gut die Geschichte der Silberminen und des Transports. Die Gleisanlagen und Lokomotiven wurden Anfang des 20. Jahrhunderts von Engländern gebaut. Nach ein paar Fotos ging es dann weiter zur Hauptattraktion des Tages, dem Salar de Uyuni. Es war ein geiles Gefühl, mit unseren Maschinen über die kilometerlange Salzdecke zu gleiten. Das Gefühl, das wir während der Fahrt hatten, kann man nicht in Worte fassen, man muss es eigentlich selbst erlebt haben. Nach einem Foto-Stopp am Dakar-Monument (mehrfach fanden hier schon Etappen der berühmten Rally Paris-Dakar statt) ging es weiter zur Insel Incahuasi, eine bizarren Felsformation vulkanischen Ursprungs mit hunderten von Kakteen. Es gab eine Mittags-Suppe bei der zauberhaften Doña Aurelia, die mit ihrem Mann die stolzen, ersten (und vermutlich einzigen) Einwohner der Insel sind (und das mit 76 bzw. 80 Jahren). Nach dem Aufstieg auf den Mirador ging es dann 100 km zurück über den Salzsee und wir nutzten die Zeit für ein paar Fahr-Videos. Robin fuhr voraus und filmte uns mit der GoPro und das bei teilweise 100 km/h. Zurück in Uyuni hat Robin dann noch sehr gründlich unsere Bikes gesäubert, das Salz kann ansonsten durchaus Schaden anrichten, insbesondere an der Elektrik. Ein erlebnisreicher und aufregender Tag ging zu Ende. Robin, thank you very much for such a great experience. It was a pleasure to meet you and we enjoyed very much the time with you on the Salar de Uyuni. All the best for you and Fatima, but: Improve your Spanish !!! 
 
Am Dienstag und Mittwoch stand dann unser Tripp zu den Lagunen auf der Agenda. Um 9:00 Uhr wurden wir von Efer, unserem Fahrer, abgeholt und es ging in Richtung Westen, fast bis zur chilenischen Grenze. So konnten wir schon einmal schauen, was uns Donnerstag erwartete. Irgendwann ging es runter von der „Hauptstraße“ und es wurde holprig. Ursprünglich sah unsere Planung vor, die Lagunen mit dem Motorrad abzufahren. Man muss aber schon Offroad-Freak sein, um an den Pisten, die wir abfuhren, Spaß zu haben. So waren wir zufrieden, dass wir uns für die bequeme Version mit dem Allrad-Fahrzeug und Fahrer entschieden hatten. Nach der Laguna Chulluncani gab’s Mittagessen an der Laguna Pastos Grandes, wo Lithium abgebaut wird. Weiter ging’s über die Laguna Q’ara zur Hauptattraktion, der Laguna Colorada. Überall konnte man Massen von Flamingos sehen, echt beeindruckend. Die Laguna Colorada hat wegen ihrer Mikroorganismen eine rote Farbe, was sie so einzigartig macht. Nach einem kleinen Rundgang ging es weiter zu unserem Nachtquartier, das eher einfach gestrickt war. Um 5:00 Uhr ging es am zweiten Tag weiter zu den Geysiren. Dampffontänen, die aus dem Boden nach oben schießen, ein beeindruckender Anblick. Um 6:00 Uhr hatten wir dann die Gelegenheit, in heißen Quellen ein kurzes Bad zu nehmen, bevor es weiter zu der sehr abgelegenen Laguna Verde ging. Die Lagune schimmert bei Wind aufgrund von chemischen Reaktionen der dort vorhandenen Mineralien grün. Leider hatten wir keinen Wind, so dass wir das Spektakel nur erahnen konnten. An diesem Punkt waren wir dem nächsten Reiseland schon sehr nah, die Grenze zu Chile (und auch zu Argentinien) war nur wenige Kilometer entfernt. Auf der langen Rückfahrt nach Uyuni gab’s noch mehrere kurze Abstecher, u. a. zum Mittagessen an der Laguna Negra, der schwarzen Lagune. Am Nachmittag landeten wir dann völlig erschöpft wieder in Uyuni.  
 
Am 27.10. starteten wir dann nach dem Frühstück in Richtung Grenze zu Chile. Diese Tagesetappe war von den Pistenverhältnissen die bisher übelste. Von den ca. 220 km Strecke war nur ca. 1/3 gut befahrbar. Der Rest bestand aus schlechtem Asphalt, Schotterpisten und Sand. Als wir nach 4 ½ Stunden endlich die Grenze erreicht hatten, waren wir heilfroh. Leider waren die bolivianischen Grenzbeamten gerade zu Tisch, so dass wir zunächst warten mussten. Als die Mittagspause dann zu Ende war, gab es keinen Strom, die Abfertigung ließ also weiter auf sich warten. Wir verbrachten die Zeit mit einer Gruppe Finnen, die die komplette Panamericana (Alaska bis Feuerland) in 3 Monaten absolvierten, der Wahnsinn. Als dann der Strom wieder da war, war der Beamte der Migration verschwunden. Es dauerte weitere 15 Minuten, bis es dann mit der Abfertigung startete, die zum Glück recht zügig war. Auf der chilenischen Seite ging dann alles relativ schnell, so dass wir am späten Nachmittag unser Quartier im chilenischen Grenzort Ollagüe beziehen konnten.  
 
Fazit Bolivien: 
Das Land zeigte uns zwei verschieden Gesichter. Auf der einen Seite die rücksichtslose Fahrweise einiger Autofahrer und hässliche Städte wie El Alto, Oruro oder Potosí, auf der anderen Seite zauberhafte Städte wie Sucre oder auch das südliche Stadtgebiet von La Paz sowie Naturwunder, wie den Salar de Uyuni oder die vielen Lagunen und Geysire. Wir verließen Bolivien mit einem insgesamt positiven Eindruck. Sicherlich besteht in vielen Bereich noch Verbesserungsbedarf (z. B. die Straßen westlich von Uyuni), aber alles in allem ist es ein sehenswertes Land. 
 

In eigener Sache:
Wir sind nun seit fast 3 ½ Monaten unterwegs. Die vorzeitige Abreise von Olaf stellte eine Zäsur dar. Matthias hat für sich entschieden noch ein wenig von Chile zu erkunden und seine Maschine dann irgendwann im Hafen von Valparaiso abgeben. Gerd wird am ursprünglich geplanten Reiseziel Ushuaia festhalten und in diesem Blog weiter darüber berichten.

4 Responses

  1. Regina
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    Hallo Alleinreisender,
    schade schade das Matthias dich jetzt auch noch verlassen hat.
    Hoffentlich klappt’s alleine auch so gut wie bisher.
    Der letzte Bericht lässt einen neugierig machen was jetzt noch alles kommt.
    Die Städte und Leute….
    Weiterhin gute Fahrt Gerd, es wird schon werden.
    LG Regina

  2. Bettina
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    Auf den Beitrag Bolivien hatte ich schon gewartet. Danke! Sensationell auch hier die grandiose Natur und die Drohnenbilder lassen bloß ahnen, wie toll es für euch gewesen sein muss! Also, ich bin gespannt, was der letzte von euch dreien, Gerd, noch weiter erlebt. Ich vermute mal, nach so einer langen Zeit mit tollen und auch extremen Erfahrungen zu dritt sind irgendwann auch wieder eigene Wünsche mehr im Vordergrund…für euch alle drei kommt hoffentlich auch so das Richtige. Eure Reise ist toll und für viele ein Traum! Gute Reise, Gerd!

  3. Manfred Reichard (Fred)
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    Hallo zusammen,
    kann es kaum erwarten weiter Bilder und Videos zu sehen.
    Die derzeitigen Sehenswürdigkeiten in Chile sind bestimmt auch so spektakulär wie eure bisherigen Beiträge.
    Fast täglich beobachte ich euren Reiseverlauf.
    Weiterhin alles Gute…
    LG Fred

  4. Christian
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    Hallo Gerd,
    beeindruckende Bilder!
    Wünsch dir weiterhin eine tolle Reise, genieße es!
    Viele Grüße ,
    Christian

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